Wahrheit und Häresie |
Die Dissertation von Christoph Dejung enthält eine Reihe von Untersuchungen zur Geschichtsphilosophie bei Sebastian Franck (1499-1543). Dieses Buch versucht die sonst im ganzen zwanzigsten Jahrhundert versäumte Aufgabe anzupacken, in wissenschaftlicher Methode eine Gesamtdarstellung des großen Geschichtsschreibers, Sprichwörtersammlers, Spiritualisten und Pazifisten Sebastian Franck zu geben. Originell ist dabei der Aspekt, diese Darstellung aus der Untersuchung der Geschichtsphilosophie heraus zu entwickeln. Franck vertrat eine paradoxalistische, mystische Auffassung von Wahrheit, aus der heraus er alle Kirche und Konfession, Lehrmacht und Parteibildung ablehnte. Statt der parteiischen Traditionen und heiligen Bücher sollte die ganze Weltgeschichte, mit kritischen Augen betrachtet, Lehrerin und Trösterin sein. Nur dann sind Ketzer möglich, wenn es Wahrheit gibt; aber auch: Nur dann ist Wahrheit möglich, wenn es Ketzer gibt.
Abbildung: für Franck zentrales Verhältnis
Affekt: fas parteiliche
Interesse an der Geschichte ist insbesondere das Gefühl »Gott mit uns«
Affekt Gottes:
mystischer Begriff für die Schöpfung
Agrarpuritanismus: grundlegende Sozialidee Francks /
reine Ideologie
Allegorie, ewige: Francks historisch-spiritualistischer
Zentralgedanke
Allegorische Schriftauslegung:von Franck abgelehnt
Altes
Testament: Beweis für alles und jedes / »leerer Köcher«
Amt und Person: in
urreformatorischer Weise entgegengesetzt
Anfangsproblematik: Philosophie fängt
immer an »Von Gott«
Anthropologie: Geschichtlichkeit des Menschen radikal begriffen /
für Franck nicht der Sinn der Theologie / Identität
Antichristus: Nicht der
Papst, sondern »Das Evangelium«
Antike: vorbildlich, insbesondere in der Philosophie
Antisemitismus: trotz der Identität zwischen »Sekte« und »jüdisch« von Franck verabscheut
Antithetik: Bauprinzip der Franckschen Gotteslehre
Antitrinitarismus:
von Franck nur ein einziges Mal eingestanden
Apathie: Francks Verhältnis zur äußerlichen
Geschichte
Apokalypsis: das Unmögliche: die Wahrheit sagen / Unsinn, weil der Sprache
nicht zu trauen ist
Apokalyptik: Franck sehr unheimlich
Apokatastasislehre:
wird geteilt, aber heruntergespielt
apostolische Sukzession:ein Grundprinzip aller
»Sekte«Arianismus: von Franck nicht offen eingestanden
Äußerliche Kirche :
prinzipiell hinfällig
Aufruhr: subjektiv meist gerechtfertigt; objektiv immer
böse
Außenseiterstellung: bei Franck auch psychisch-sozial verständlich
Autoritätsbeweis: meist sehr mechanisch
Beruf: die menschliche Freiheit
im transzendentalen Sinn
Bibel: als Vorbild des Historikers sehr wertvoll
Bindriemen:»Kausalität«; Zusammenhang aller »Geschichte« ist Kritik an der Gewalt
Buch:nur als Zeugnis von Erfahrung sinnvoll
Buchstabenglaube: besonders schlimm,
weil ohne Geschichtlichkeit
Circkel: wichtiges geschichtliches Konzept
Chiliasmus: Folge des Buchstabenglaubens
Corpus Christianum:
von Franck als Bild der Gesellschaft abgelehnt
Creatio continua:wichtiges Element
des geschichtlichen Denkens
Dialektik: im Hegelschen Sinn aufgefasst
Disputation: nutzlose Beschäftigung
Dogma: törichtes Ziel aller
Schriftgelehrsamkeit
Ebionismus: Prinzip aller Sekten (»jüdische Munier«
Eifer:busspredigende Haltung, bei Franck häufig
Eigenes: fast immer verborgen
im Angeeigneten
Einsamkeit: theologisch, nicht existenziell zu verstehen
Enthusiasmus: Francks enthusiastische Phase ist in Straßburg vorbei
Entwicklung:
für Franck nicht nachvollziehbarer Gedanke
Epoché: als amor dei intellectualis zu
verstehen / Selbstkritik: Prämisse wahrer Historie
Erfahrung: existenzieller
Grundvorgang in Francks Konzeption
extra ecclesia nulla salus: törichtes Prinzip
Fasnachtsspiel: Grundkonzept der abbildenden Geschichte
Figur:
symbolische Seite jedes Geschöpfs
Freiheit: politische Grundidee eines Lebens ohne
Herrschaft / republikanischer Staat / besonders anstößiges Prinzip
Friede:
Naturbedürfnis; zugleich natürlicher Zustand
Gelassenheit: mystische Grundhaltung,
erforderlich zur Erkenntnis
Genealogie: in genetischer Betrachtungsweise ist alles
»Bibel«
Geschichte: »Buch Gottes« so gut wie die Bibel
Geschichtsphilosophie:
bei Franck Ergebnis einer Lebenskrise
Geschichtszusammenhang: nur in Widersprüchen
Gleichheit: aller Menschen humane Vorstellung / der Nationen vor Gott selbstverständlich
Gnadenpredigt: sittlich erfolglos
Gottesdienst: eine unsinnige Vorstellung
Gotteswort: zur anthropologischen Fassung des Begriffs »Gott« notwendig, perfektibel gedacht
Häresie: Voraussetzung in der Franckschen Konzeption der Wahrheit
Heilsgeschichte
: in Francks Konzept nicht ganz ausgeschlossen
Herkommen: als natürliche, nicht
drückende Bindung
Hermeneutik: für Franck wesentlich
Herrschaft: zerstört
alle menschliche Natur / auch nicht als »gute Herrschaft« denkbar
historischer Jesus:
bedeutungslos
Hoffnung: wurzelt im Auferstehungsgeheimnis
Humanität: als
positive Möglichkeit der Identifikation
Identifikation: Verblendung des Einzelnen
durch das Kollektiv
Individualismus: als theologischer Egoismus abgelehnt
individuelle Eschatologie: nur am Rande gefasst
Imitatio: geschichtliche und
anthropologische Zielsetzung
Ironie: stilistisch und inhaltlich zentral
Irreversibilität: Grunderfahrung der Geschichte
Ketzer: zugleich Narr und
Apostel / Opfer der Sekte oder Kirche
Kirche: nur negativ zu fassende Kollektivität, =
Sekte
Kleinbürgerlichkeit: Wesenszug Francks
Klarheit der Schrift: abgelehnt
aus verschiedenen Gründen
Kollektiv: prinzipiell ein Resultat der Gewalt
Kommentar: methodisches Prinzip
Kommunismus: bei Franck nur in dem Sinn
vorhanden, dass jedem gegeben werden muss, was er braucht
Kompilation: ironisches
Prinzip in der Methode
Kontingenz: Wesen nicht nur des individuellen, sondern des
historischen Gangs der Geschichte
Kulturkritik: nie schwärmerisch
Kunst:
Geschichte ist fassbar als Kunst (quod prodest aut delectat)
Kurzsätze: Höhepunkt der
historischen Sprache
Leiden: Leben finden - Leben verlieren als Prinzip / als
Erfahrung allgemein / als Verhältnis Einzelnes-Allgemeines / als Schicksal des Ketzers Sinn der
Geschichte / als Charakterstikum geeignet für den Menschen / Leiden zufügen und
Leiden-ohne-zu-begreifen sind Sünde
Lüge: Wesen der Welt / Vorwurf an die
Historiker
Luther: absolutes Schlüsselerlebnis für Franck
Macht: an sich
böse
Manichäismus: erkannt in der radikalen Apokalyptik
Marginalien:
hervorragendes philosophisches Darstellungsmittel
Martyrium: Sinn der
Historiker-Existenz
Metanoia: nur Modell der negativen Theologie
Modernität der
Sprache Francks: ist keine Täuschung
Montage: Methode der Quellenarbeit
Moralismus: stärker als Eschatologie
Mündlichkeit: Charakteristikum wahrer
Philosophie
Naherwartung: zu kritisieren als Stachel der Eschatologie
Natur
: pantheistisch gefasst / Wesen der Geschichte als Cäsarenkritik / Werden und vergehen aller
weltlichen Kollektive
negative Theologie: zentral
Negativismus: Franck
vermutlich zu Unrecht vorgeworfen
Neuplatonismus: zur Darstellung Francks ungeeignet
Nuancieren: zentrale Methode der Geschichte
Nutzen der Geschichte: zweideutige
Konzeption
Orden: Modell der Sekte als künstlicher Kollektivität
Paradoxon
: ist allein fähig, Wahrheit auszudrücken
Paränese: einziger positiver Sinn von
Theologie
Parteilichkeit: Grenze aller Geschichte
Patriotismus: ist positiv
möglich
Pazifismus: erasmianischer Kern für Francks Eschatologie
Perfektionismus:
Motor der Eschatologie, für Franck unwichtig
Pessimismus: notwendiger Schein
Philosophie: von Franck vorgebracht
Politik: revolutionsfeindlich zu akzeptieren;
als Fallstrick der »Reformation« zu vermeiden
Positivismus: mögliche Definition der
Historie Francks
Prädestinationslehre: erasmianisch zu fassen
Prophetie:
doppelsinnig; kann positiv sein wie »Ketzerei«
Pseudopropheten: leben im Schein des
Evangeliums
Pseudonym: sowohl als Distanzierung als auch aus Bescheidenheit
Psychologie: wesentlich an der Motivik der Eschatologie
Quellen: sind selbst
Gegenstand der Geschichte
Reformation: an sich unmöglich, kann gutgemeinter
Irrtum sein
Revolution: Unsinn, als revolutionäre Theologie »Rusticorum secta«
teuflisch
Säkularisierung: in allen Konsequenzen Francksches Programm
Schein
: Wesen der Welt (»Leuchten« und »Täuschung«
Sekte: immer negativ, so alle
Kirche
Seifensiederberuf: ist keine Täuschung
Montage: Methode der
Quellenarbeit
Moralismus: Francks Rettung
Selbsterkenntnis: nur verschlungen
in die Erkenntnis Gottes möglich
Sentenzen: dienen dem Historiker als »Masken«
Summarischer Stil: Merkmal von Franck
Systemkritik: Voraussetzung alles
Verständnisses
Taufe: täuferische Phase in Francks Leben wahrscheinlich; im Werk stets
bedeutungslos
Theodizee: nur im mikrokosmischen Bereich sinnvoll
Toleranz:
allgemeine grundidee, von den Mächtigen zu fordern
Unglaube: wesentlicher Begleiter des
Glaubens, dialektisch
Universalismus: ihm selbst unbemerkter Grundzug
Unparteilichkeit: philosophische Forderung an die Geschichte
Unzeitigkeit:
Grund für das Leiden
Urchristentum: niemals als Vorbild aufzufassen
Verfolgung: das ausgezeichnete Leiden
Vermischung: Konzept für die Gegenwart
Vernunft: nutzlos, weil sie sich in die Theodizee verstrickt
Verzweiflung: existenzielle Basis der Gedanken Francks
Volkssprache: hervorragendes philosophisches Darstellungsmittel, für Franck nicht
»ungebildet«, sondern »modern«
Vulgärapokalyptik: für franck unannehmbar
Wahrheit: worum es geht in der Welt
Weltalter-Vorstellung:
eher aus antiken als aus biblischen Quellen zu schöpfen
Widerstand: Francks Haltung
gegen die Polarisierung / Widerstandsrecht »calvinistisch« selbstverständlich
Wiedergeburt: passiver Zentralbegriff in francks Eschatologie
Wille:
das Humanum schlechthin, von Gott nicht auszusagen
Wissen des Nichtwissens:
sokratisches Ideal Francks
Wissenschaft: es gibt keine Wissenschaft vom Glauben,
auch keine von der Wahrheit
Wissenssoziologie: wesentlicher Grundzug Franckscher
Einsichten
Wort: erscheint gespalten als inneres und äußeres Wort / der Wortlaut des
Evangeliums und der Schrift ist das Schwert des Antichrists
Zeugnis:
esoterisches, ironisches Reden-Zeigen, zentral für Franck
Zeiger: (= Symbol)
spiritualistischer Grundbegriff
Zeit: wirksam gefasst als »fortuna« und als »kairós«
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